Beschreibung
Vom Elbischen Flursegen und den Gebräuchen des Landvolks unserer Vorfahren
„Unter dem besonders seit Wilhelm Mannhardts Forschungen allgemein eingebürgerten Begriff Korndämonen versteht man ein mythisches Wesen, das sich als Fruchtbarkeitsgeist im Getreidefeld, seltener in anderen Anpflanzungen (Flachs, Hanf, Gras, Erbsen, Bohnen, Kartoffein, Wein, Obst, Hopfen) zeitweise oder dauernd aufhält. Die verschiedenen Stufen des Kornwachstums bedingen zahlreiche Berührungspunkte und Übergänge zwischen Korngeistern und mythischen Gestalten des Windes, Wassers und Waldes. Obwohl wir Korndämonen im wesentlichen nur aus der Volksüberlieferung der letzten 100 Jahre kennen, darf aus dem gemeinsamen Vorkommen bei germanischen, indogermanischen, ja bei allen ackerbautreibenden Völkern der Erde auf eine schon prähistorische Existenz geschlossen werden. Die Werke Wilhelm Mannhardts sind bis heute für die Erforschung dieses Zweiges der deutschen Mythologie von grundlegender Bedeutung geblieben.“ (Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 1974)
Welchen volkskundlichen Schatz diese beiden unscheinbaren Büchleine bergen, wird einem erst beim Lesen klar. Es ist mir während anderer Arbeiten buchstäblich in die Hände gefallen.
Das Ziel des Verfassers Wilhelm Mannhardt war es, eine Sammlung der germanischen Feld- und Ackergebräuche als künftige Forschungsgrundlage herauszubringen. Er tat dabei etwas, was ich noch nie zuvor in einem wissenschaftlichen Werk gesehen habe: Er bittet respektvoll und demütig um die Hilfe des Landvolks, der Bauern, Hirten, Handwerker und Hagemeister (späterhin Förster genannt): Der Unterzeichnete ersucht alle Freunde des Volkslebens über die folgenden Fragen Erkundigungen einzuziehen und ihm das Ergebniss ihrer Nachforschungen gütigst mit so vielen Einzelheiten wie möglich mitteilen zu wollen. Es folgt eine Liste von 35 Fragen an das Landvolk.
Was die Brüder Grimm für die Märchen und Sagen taten, tat Mannhardt für die Bräuche und Sitten des Landvolks auf dem Felde und Acker. Es ist eine höchst willkommene Ergänzung und Bereicherung der Forschungsarbeit von Hans Christoph Schöll über den Altglauben der Drei Ewigen unserer heidnischen Vorfahren.
Das Wort Korndämonen mag manchen abschrecken. Doch ändert sich die Sicht darauf, sobald man weiß, daß Dämon das hebräische Wort für Naturgeist ist: Die Völker der Elemente (Feuer, Wasser, Erde und Luft), wie sie Paracelsus nannte. Und in der Tat fördert Wilhelm Mannhardt mit seinem Forschungswerk erstaunliche Gebräuche zu Tage, die bis in jene Zeit zurückreichen, in der unsere heidnischen Vorfahren mit der elbischen Kultur noch in Einklang lebten. Die Begriffe Roggenwolf und Roggenhund lassen uns unweigerlich an jene Kultur erinnern.
Dieses Wissen, was Mannhardt hier zusammengetragen hat, wurde in unserer heutigen Zeit sogar verfilmt: In der japanischen Geschichte von Spice & Wolf, eines fahrenden Händlers und einer Wolfsgöttin. Hierzulande ist diese Geschichte durch den verteutschten Manga (2011-2018) und die gleichnamige Animeserie seit 2020 bekannt geworden. Sein japanischer Originaltitel lautet Okami to Koshinryo (Wolf und Gewürz) und erschien unter der Feder von Isuna Hasekura bereits 2006 als Novelle (Light Novel).
Ein Beispiel dafür, daß Isuna Hasekura entweder Mannhardts Buch kannte, oder, wenn nicht, was noch verblüffender wäre, dasselbe Wissen im heidnischen Japan noch mit denselben Worten überliefert wird:
Aus den Korndämonen, S. 2: „Hierbei ist zu bemerken, daß man entweder von einem einzelnen Wesen dieser Art, oder von einer ganzen Schaar spricht — „der Wolf geht im Korn“, oder „die Wölfe jagen sich im Korn“ …“
oder aus dem Roggenwolf und Roggenhund, S. 1: „Weit verbreitet ist die Rede, „der Eber geht im Korn“, „die wilden Schweine sind im Kornfeld“, wenn der Wind das Saatfeld wellenförmig auf- und niederbewegt.“
Die Geschichte von Spice & Wolf in der Animeserie beginnt mit diesen Worten: „Es war einmal ein kleines dorf, in dem man irgendwann begonnen hatte, „Da läuft der Wolf!“ zum sich im Wind wiegenden Weizen zu sagen. Vom Wind umgeknickte Weizenähren wurden sprichwörtlich vom Wolf zertrampelt. Wenn die Ernte verdorben war, sagte man, der Wolf habe sie gefressen. Am Anfang gab es nichts. Es gab nur Wärme. Und dann wurde ein Versprechen gegeben. Begegnungen und Trennungen folgten einander. Und ganz von allein schufen die Menschen nach und nach ihren eigenen Reichtum. Es war womöglich nicht mehr nötig, das Versprechen zu halten.“